„Pico“ war der Felix Magath des Ostens

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„Pico“ war der Felix Magath des Ostens

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Werner „Pico“ Voigt wird nicht mehr miterleben können, ob sich Union für die Champions League qualifiziert. Fußballgeschichte hat der am 22. April im Alter von 75 Jahren verstorbene Ex-Fußballer und Trainer dennoch geschrieben. Er galt als harter Hund. Man kann ihn durchaus als Felix Magath des Ostens bezeichnen. Voigt war aber auch ein Spaßvogel mit weicher Schale.

Ich, der BILD-Reporter, erinnere heute an eine Fußball-Legende.

Meister mit dem BFC

Werner Voigt war Mittelfeldspieler. Live habe ich ihn beim BFC Dynamo und beim 1. FC Union nie spielen sehen. Erstmals aufgefallen ist er mir als Trainer der zweiten BFC-Mannschaft. 1985/86 wurde die Voigt-Truppe Meister der DDR-Liga. In die DDR-Oberliga konnte Voigt aber nicht aufsteigen, weil dort die erste BFC-Mannschaft spielte.

Mit Zweitligist Rostock im Pokalfinale

Voigt machte durch die Erfolge beim BFC Werbung für sich. 1986 wechselte er nach Rostock. Hansa war gerade in die DDR-Liga abgestiegen. Voigt schaffte nicht nur den Wiederaufstieg. Er zog mit Rostock sogar ins FDGB-Pokalfinale ein.

Am 13. Juni 1987 war ich als 16-jähriger Augenzeuge des Finales vor 47.000 Besuchern im 1992 abgerissenen Stadion der Weltjugend in Ost-Berlin. Hansa ging mit 1:0 in Front, verlor aber gegen den seinerzeitigen Europacup-Finalisten Leipzig mit 1:4.
Goldene Jahre an der Ostsee

Voigt etablierte Rostock im Oberhaus mit den Platzierungen 9 (1987/88), 4 (1988/89) und 6 (1989/90). 1989 qualifizierte sich der Verein für die erste Runde des UEFA-Cup (2:3 und 0:4 gegen Banik Ostrava).

Legendär war zwischenzeitlich Rostocks Heimstärke und das vor der Wende häufig mit 22.000 Besuchern ausverkaufte Ostseestadion. An der Küste wollten die Gegner nicht gern spielen. Im Prinzip legte Voigt den Grundstein dafür, dass Rostock 1991 letzter DDR-Meister wurde und in die Bundesliga aufstieg.

Wieder bei Union

Schon vor dem Saisonende 1989/90 stand fest, dass Voigt den DDR-Ligisten 1. FC Union übernimmt. 1991 wurde Voigt mit den Eisernen Meister, scheiterte aber in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga. Auch 1992 ging Union in der Aufstiegsrunde K.o. Weil vorzeitig klar war, dass es wieder nicht zum Aufstieg reicht, wurde Voigt noch während der Aufstiegsrunde entlassen.
Schreihals beim Dienstsport

Nachdem Voigt im Anschluss den BSV Brandenburg, FC Berlin und Dynamo Dresden trainiert hatte, arbeitete er zu Beginn der 2000er-Jahre im Nachwuchs von Union.

Da auch ich, der BILD-Reporter, zwischen 2000 und 2002 dort Jugendtrainer war, lernte ich ihn beim „Dienstsport“ kennen. Freitagmittag kickten Unions Nachwuchs-Übungsleiter und die Platzwarte immer in der Union-Halle miteinander. Voigt lief nicht viel. Er stand immer vor dem gegnerischen Tor und lauerte laut schreiend und Witze reißend auf Konter.

Treppenläufe und Medizinbälle

Ende September 2004 kehrte er noch mal auf die größere Fußball-Bühne zurück. Er wurde bei Union nach der Entlassung von Frank Wormuth als Trainer der zweiten Union-Mannschaft zum Chefcoach in der damals drittklassigen Regionalliga Nord befördert.

Seinem Ruf als harter Hund wurde er auf Anhieb gerecht. Die Mannschaft durfte Treppenläufe im Gästeblock des Stadions An der Alten Försterei machen und mit Medizinbällen hantieren. Wegen seines harten Trainings und seiner Vorliebe für Disziplin kann man mit Fug und Recht auch „Felix Magath des Ostens“ nennen.

Voigt sagte mir damals in einem Interview: „Ob harter Hund oder Schleifer die richtigen Begriffe für meine Arbeit waren oder sind, weiß ich nicht. Für mich ist ausschlaggebend, dass die Spieler diszipliniert sind. Gegen Schlampigkeit und Schluderei greife ich konsequent durch.“
Der Verantwortung gestellt

Die Union-Krise hielt auch unter Voigt an. Ende November 2004 trafen sich deshalb Fans und alle Spieler in der rappelvollen Fankneipe Abseitsfalle zur Aussprache. Vogt meldete sich auch zu Wort: „Man kann in fünf Wochen ein System nicht ändern, aber ich sehe Fortschritte.“

Doch am 8. Dezember 2004 trat Voigt nach der 0:2-Pleite im Berliner Landespokal beim Oberlisten Tennis Borussia unter Tränen noch auf der Pressekonferenz direkt nach dem Spiel zurück.

Er sagte nach nur einem Sieg in neun Ligaspielen: „Ich habe es nicht geschafft, die Mannschaft ins Rollen zu bringen.“ Union stieg 2004/05 auch ohne Voigt zum zweiten Mal in Folge ab und wurde erstmals in der Vereinshistorie viertklassig.

Berliner Pokalsieg 2010

Im Anschluss wurde es ruhiger um Voigt. Er trainierte Berliner Teams: Lichtenberg 47, Berliner AK, Köpenicker SC und Sparta Lichtenberg. 2010 gewann er den Landespokal mit Berlin Ankaraspor Kulübü 07 (heißt jetzt wieder Berliner AK) durch einen 1:0-Erfolg gegen den BFC Dynamo.
Die letzten Jahre

In den letzten Jahren traf sich Werner Voigt noch regelmäßig zum Stammtisch mit alten Weggefährten wie Unions Trainer-Lende Heinz Werner (87). Ansonsten war es ruhiger um ihn geworden. Der Tod seiner geliebten Frau hatte ihn schwer mitgenommen. An einem Sonnabend (22. April) verstarb Werner Voigt. Der nächste Stammtisch findet am 10. Mai statt. Der Platz von ihm wird dann leer bleiben.

Wie viele Union-Fans werde auch ich Werner „Pico“ Voigt als harten Hund mit weicher Schale in Erinnerung behalten.

Bild Zeitung
 
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