Fan-Chaos bei der Tour: „Saugefährlich“, aber nicht zu verhindern?

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Fan-Chaos bei der Tour: „Saugefährlich“, aber nicht zu verhindern?

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Wie kein zweites Großereignis lebt die Tour de France von der Nähe zwischen Fahrern und Fans. Dieser Tage werden die gefährlichen Schattenseiten davon besonders deutlich.

Als das Fan-Chaos bei der Tour de France seinen Tiefpunkt erreichte, meldete sich auch der Mann im Gelben Trikot zu Wort: „Es ist schon ein Problem“, befand Titelverteidiger Jonas Vingegaard im malerischen Alpenort Saint-Gervais angesichts von Stürzen und Verletzten: „Die Zuschauer müssen sich einfach nett verhalten und nicht auf der Straße stehen und Fotos machen.“

Was den Dänen ärgerte? Eine Szene 128 km vor dem Ziel der 15. Tour-Etappe am Sonntag. Ein unbedarfter Fan hatte sich über die Strecke gelehnt, um ein Selfie zu machen, stattdessen aber für deutlich unschönere Bilder gesorgt. Vingegaards Edelhelfer Sepp Kuss touchierte den Arm des Zuschauers, kam zu Fall, räumte dabei seinen Teamkollegen Nathan van Hooydonck ab und löste einen mächtigen Massensturz aus.

„Ich hoffe einfach, dass jeder sicher bleibt, denn auf Abfahrten kann so etwas zum Desaster werden“, warnte anschließend auch Vingegaards großer Rivale Tadej Pogacar. „Wir lieben die Fans, es ist unglaublich, wie viele hier sind. Aber sie müssen echt aufpassen“, sagte der Slowene und brachte damit das Dilemma auf den Punkt.

Denn – das wissen auch die Profis – die Faszination der Tour de France lebt zu einem großen Teil von ebenjener ungewöhnlichen Nähe zwischen Fahrern und Fans. Eine einzigartige Atmosphäre an den Anstiegen und atemberaubende TV-Bilder sind das positive Produkt dieser Nähe. „Für mich sind die Fans sehr motivierend. Das gibts in der Form halt nur bei der Tour und es macht den Charme der Frankreich-Rundfahrt aus“, findet auch der Luxemburger Kevin Geniets. Gegen Ende der zweiten Tourwoche aber wurden besonders die Schattenseiten einer zu großen Fannähe deutlich.

Die Gefahr von Stürzen

Der sonntägliche Massensturz nämlich war nur der Tiefpunkt einer Reihe problematischer Ereignisse. Am Freitag mussten die Fahrer nach der Bergankunft am Col du Grand Colombier den gleichen Weg wieder hinunterrollen, um zu ihren Teambussen zu gelangen. Im allgemeinen Chaos zwischen teils schwer alkoholisierten Anhängern und Autos sei dies, wie der belgische Topfahrer Wout van Aert sagte, „tatsächlich lebensgefährlich“ gewesen.

Am Samstag dann nahmen die Radsport-Enthusiasten Einfluss auf das sportliche Geschehen: Als Pogacar im Sekundenkrimi gegen Vingegaard attackieren wollte, wurde er unsanft von einem Begleitmotorrad ausgebremst. Im dichten Fan-Spalier auf der engen Straße des Col de la Joux Plane konnte der Pilot nicht schnell genug Platz machen – Pogacar musste seinen Antritt abbrechen, um eine Kollision zu vermeiden.

Rolf Aldag sieht insbesondere nach dem schweren Massensturz am Sonntag Handlungsbedarf beim Veranstalter. „Das ist natürlich saugefährlich. Viele sind sich über die Geschwindigkeit nicht bewusst“, sagte der Sportliche Leiter des deutschen Rennstalls Bora-hansgrohe am Ruhetag der Tour.

Ein möglicher Lösungsansatz laut Aldag: TV-Spots. „Es gab ja schon einmal diese Lehrfilme der ASO. Ich würde davon ausgehen, dass Zuschauer an der Strecke die Tour de France auch an den Tagen zuvor im Fernsehen verfolgen“, sagte der Ex-Profi. Es gelte vorzuführen, „was passieren kann und welche Verantwortung man auch als Zuschauer hat.“

Nur, gänzlich verhindern lassen sich gefährliche Situationen bei teilweise über 200 km Strecke pro Tag in Zukunft wohl auch dadurch nicht. Sturzopfer Kuss fasste es am Sonntag treffend zusammen: „Es ist das größte Radrennen der Welt und viele Zuschauer wissen einfach nicht genau, was abgeht“. Es sei daher wohl leider „Teil der Tour“.


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